Kunsttherapie für die Seele

Begrüßungscafé in der Begegnungsstätte Hansaviertel fängt Ukrainer auf

Greven

Ein Artikel von Günter Benning (Westfälische Nachrichten)

Kunst lindert Sorgen. Im Begrüßungscafé im Hansaviertel können geflüchtete aus der Ukraine sich jedenfalls mit Kunsthandwerk und informativen Gesprächen entspannen.

Olena Bondarenko war Sozialarbeiterin in der Ukraine. Sie stickt ein buntes Motiv auf Karton. Ihre 20-jährige Tochter Anastasia malt neben ihr gewissenhaft einen Fuchs. Kunst beruhigt die Nerven. Die Flüchtlinge aus Saporischschja treffen sich am Mittwochmorgen im hellen Café der Begegnungsstätte am Hansaring mit anderen Betroffenen. „Man hat etwas zu tun“, sagt Bondarenko, „und man unterstützt sich gegenseitig.“ Ihr Mann musst in Saporischschja bleiben. Die Stadt ist umkämpft. Die Russen haben das Atomkraftwerk dort besetzt. Manchmal kann sie mit ihm telefonieren, sagt Olena Bondarenko, „aber die Leitungen sind im Moment sehr schlecht.“ Nazanin Voskort betreut seit langem Flüchtlinge bei Lernen fördern. Irmgard Hellmann organisiert die Integrationsarbeit für die Stadt. Sie haben gemeinsam das Begrüßungscafé am Mittwoch ins Leben gerufen. „Zuerst waren bis zu 60 Ukrainer hier“, sagt Hellmann, derzeit sind es 15 bis 20. Am Anfang ging es für alle um Informationsaustausch. Mittlerweile ist vieles geregelt.

Neue Sprachkurse

So wurde ein neuer Sprachkurs mit vier ehrenamtlichen Sprachlehrern im Hansaviertel organisiert. 30 Teilnehmerinnen sind hier dabei. Auch die evangelischen Kirchengemeinde hat ihre Kurse für Geflüchtete wieder aktiviert. Sie finden zwei Mal wöchentlich statt. Im August beginnen auch die umfangreichen Integrationskurse beim Webikul und der VHS. Sie sollen Flüchtlinge sprachlich in die Lage versetzen, einer Arbeit nachzugehen. Außerdem sind sie eine Einführung in das System Deutschland. Valentyna Beletska (35) hatte mit diesem System schon zu kämpfen. „Bei uns arbeitet die Verwaltung viel digitaler und online“, sagt die Mutter eines neunjährigen Sohnes. Die vielen Formulare, die in Deutschland in Papierform vorliegen müssen, ist sie nicht gewohnt. Beletska arbeitete in ihrer Heimatstadt Charchiw als Beamtin – im Ausländeramt.

Geistige Gesundheit

Jetzt fädelt sie Perlen auf und unterhält sich über Eck mit ihrer Bekannten Nataliia Honcharuk (36). „Das hier“, sagt sie, „ist wichtig für die geistige Gesundheit.“ Nataliia Honcharuk ist in Schytomyr Hebamme gewesen. Wie viele Flüchtlinge will sie schnell arbeiten. Denn ob sie sofort wieder zurückkehren können, wenn der Krieg vorbei sei, das bezweifeln viele Flüchtlinge. „Erst mal muss ich meine Diploma anerkennen lassen“, sagt sie, „dann muss ich vielleicht noch studieren.“ Die Berufsbilder in den Ländern sind doch unterschiedlich. Wie viele ukrainische Flüchtlinge in Greven leben, ist nicht ganz klar. 363 waren Ende Juni registriert, sagt Irmgard Hellmann. 314 davon wohnten in Greven. Einige sind bereits wieder weitergezogen, auch zurück in die Ukraine. 135 Kinder sind registriert, viele gehen wie die 12-jährige Tochter Elina von Olena Bondarenko in die Schule: „Sie wurden von den Mitschülern freundlich empfangen.“ Auch 56 Männer wurden gemeldet, sagt Hellmann: „Der Eindruck, dass nur Mütter mit Kindern kommen, stimmt nicht.“ Übrigens: Möglicherweise liegen die tatsächlichen Zahlen über denen der gemeldeten Ukrainer, da einige Flüchtlinge privat untergekommen und noch nicht registriert sind. Noch ist die Kommunikation schwierig, da viele Ukrainer nur Ukrainisch und Russisch sprechen. Maria Skvortsova ist eine Ausnahme. Die Architekturstudentin kann Englisch. In der Stadtverwaltung hat sie deshalb einen Minijob. Ihr Ziel: „Meine Diploma anerkennen und einen Master machen – oder ein Praktikum.“

Zwei verschiedene Geschwindigkeiten

Nazanin Voskort hat bei Lernen fördern seit Jahren Förderkurse für geflüchtete Frauen durchgeführt. „In dieser Flüchtlingswelle“, sagt sie, „ist alles besser organisiert. Wir können viel schneller reagieren.“ Früher hätten Flüchtlinge manchmal jahrelang gewartet, bis sie Integrationskurse erhielten oder eine Arbeitserlaubnis. Dies sei heute mit den Ukrainern eine Frage von Wochen. Nazanin ist stolz darauf, dass sie Frauen aus Syrien und Irak in qualifizierte Fortbildungen und Tätigkeiten hat vermitteln können: „Wer einen MBA in Business hat, muss keine Paketbotin werden.“